Hochschule Magdeburg-Stendal

Membran mit Polyelektrolyten: Neue technische Lösung für sauberes Wasser

Von Claudia Aldinger | 4. Oktober 2021

Rückstände von Medikamenten im Wasser sind ein Risiko für Natur und Mensch. An der Hochschule Magdeburg-Stendal setzt man zur Aufbereitung auf Polyelektrolyte.

 

 

Keramische Membran mit Polyelektrolytschicht

Werden Trink- und Abwässer aufbereitet, so kommen oft Membranen aus Kunst­stoff oder Keramik zum Einsatz. Keramik-membranen sind langlebig, robust und lassen hohe Filtrationsleistungen zu.

Wegen ihrer porösen Struktur können die Keramikmembranen aber nur Stoffe vom Wasser trennen, die eine bestimmte Partikelgröße haben. Mikroschadstoffe, wie zum Beispiel Rückstände von Medikamenten, lassen sich daher mit herkömmlichen Keramik-Membranen nicht zurückhalten. Forscher:innen der Hochschule Magdeburg-Stendal haben nun im Verbund mit zwei Firmen (Surflay Nanotec GmbH & Nanostone Water GmbH) ein neues Verfahren entwickelt - gefördert von der IB Bank Sachsen-Anhalt. Es setzt auf eine keramische Membran, die durch eine Layer-by-Layer-Beschichtung mit Polyelektrolyten erweitert wird. Hierbei werden anionische und kationische Polyelektrolyten auf die Keramikmembran aufgebracht, die selektiv bestimmte Schadstoffe aus dem Wasser entfernen können.

Problematische Reststoffe von Arzneien in Trink- und Abwasser

Die Projektpartner nahmen vor allem für die Umwelt problematische Reststoffe von Arzneimitteln wie zum Beispiel Diclofenac (Schmerzmittel), Sulfamethoxazol (Antibiotikum), und Clofibrinsäure (Wirkstoff zur Senkung des Cholesterinspiegels) in den Fokus. Die Herausforderung: eine stabile Polyelektrolyt-Beschichtung zu entwickeln, welche die Stoffe selektiv dauerhaft in ausreichender Effizienz aus dem Abwasser und Trinkwasser entfernt. Die Beschichtung sollte so beschaffen sein, dass sie sich nicht von der keramischen Membran ablöst. Ziel war außerdem eine regenerierbare Polyelektrolytschicht.

Erfolgreiche Laborversuche

Erste Versuche im Labor haben gezeigt, dass sich mit Hilfe der Nanofiltrationsbeschichtung für Keramikmembranen die untersuchten Reststoffe um bis zu 96 Prozent reduzieren lassen. Die Trenngrenze liegt bei weniger als 500 g/mol. Zudem stellten die Forschungspartner fest, dass die Elimination in einem niedrigeren Druckbereich als erwartet erfolgt. Ein Pluspunkt für die Energiebilanz des Verfahrens. Da herkömmliche Prozesstechniken bei anthropogenen Mikroschadstoffen wie Arzneimittelrückständen und Mikroplastik nur bedingt wirksam sind, wäre eine breite Anwendung des neuen Verfahrens wünschenswert. Wie es weitergehen könnte, haben wir den Projektleiter Jürgen Wiese gefragt. Er ist an der Hochschule Magdeburg-Stendal seit 2016 Professor für Siedlungswasserwirtschaft mit dem Schwerpunkt Abwasser.

Herr Prof. Wiese, welche Schritte folgen jetzt, damit die neue Membrantechnik zur Anwendung kommt?

Nachdem wir im Labormaßstab mit synthetischen Wässern sehr gute Ergebnisse erzielen konnten, testen wir jetzt die modifizierten Keramikmembranen mit ausgewählten Beschichtungen für Trinkwasser und Abwasser. Erreichen wir auch hier gute Ergebnisse wollen wir das Verfahren im halbtechnischen Maßstab auf einem Wasserwerk oder einer Kläranlage einsetzen, um das Konzept unter realen Betriebsbedingungen zu testen. Neben dem Nachweis der Rückhalteleistungen stehen dann die Betriebssicherheit und der Wartungsaufwand im Fokus unseres Interesses.

Welche Expertise bzw. Erfahrungen konnten Sie bzw. die Hochschule Magdeburg-Stendal in das Projekt einbringen?

Als Arbeitsgruppe einer Hochschule für angewandte Wissenschaften zeichnen wir uns durch einen hohen Praxisbezug aus, das heißt wir wollen keine Grundlagenforschung betreiben, sondern Verfahren entwickeln, die bereits in wenigen Jahren in der Praxis eingesetzt werden können.

Unsere 8-köpfige Arbeitsgruppe ist interdisziplinär zusammengesetzt, sodass wir auch anspruchsvolle Forschungsprojekte bearbeiten können. Schließlich verfügen wir über eine sehr gute Ausstattung an Versuchsanlagen und Laborgeräten; all das macht uns attraktiv für kleine und mittelständische Unternehmen.

Welche Erkenntnisse waren für Sie persönlich wichtig und wegweisend für Ihre zukünftige Forschung?

Wir sind selber überrascht, wie hoch der Stoffrückhalt bei unseren bisherigen Versuchen war. Obwohl die beschichteten Keramikmembranen von der Wirkung her einer Nanofiltration entsprechen, erreichen wir bereits bei niedrigen Druckstufen sehr gute Rückhalte, was im Hinblick auf den Energieeinsatz positiv zu bewerten ist. Auch die Filtrationsleistung ging nicht so stark zurück, wie wir befürchtet haben, was im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens wichtig ist. Wir glauben daher, dass durch derartige Beschichtungen der Anwendungsbereich von Keramikmembranen im Trinkwasser- und Abwasserbereich deutlich erweitert werden kann. Darüber hinaus glauben wir, dass wir diese Technik auch für andere Aufgaben einsetzen können; so sehen wir unter anderem Anwendungs­möglichkeiten im Biogasbereich sowie bei der Nährstoffrückgewinnung.

Im Bereich Wasser- und Kreislaufwirtschaft an der Hochschule Magdeburg-Stendal haben Wissenschaftler:innen und Techniker:innen in den vergangenen Jahren eine Reihe von Laboren und noch mehr Expertise aufgebaut. Neben der Arbeitsgruppe Siedlungswasserwirtschaft/Abwasser mit Prof. Jürgen Wiese gehört dazu unter anderem auch die Forschung von Prof. Gilian Gerke zum Thema Kunststoffrecycling.

 

spc

Informationen und Kontakt

Zur Forschung des Bereichs Wasser- und Kreislaufwirtschaft: www.hs-magdeburg.de/forschung/forschungszentren/institut-fuer-wasserwirtschaft-und-oekotechnologie.html


Prof. Dr.-Ing. Jürgen Wiese, 0391-8864373, juergen.wiese@hs-magdeburg.de

 

 

Text und Bilder (soweit nicht anders benannt): Claudia Aldinger

 

KATalysiert: Das KAT-Netzwerk an der Hochschule Magdeburg-Stendal unterstützt Forschende bei Durchführung von Projekten und Akquirierung von Fördergeldern wie hier im Projekt "Napoly". Weitere Forschungsthemen an der Hochschule Magdeburg-Stendal, die vom Kompetenznetzwerk für angewandte und transferorientierte Forschung (KAT) aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) unterstützt werden, sind: Funktionsoptimierter Leichtbau, Innovative Fertigungsverfahren und Nachwachsende Rohstoffe.