Interview Innovationsmanagement

Peter Martini: "Es muss darum gehen, Begriffe wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz zu popularisieren"

Von Claudia Aldinger | 21. September 2021

Der KfW-Innovationsbericht 2020 ergab, dass drei von zehn mittelständischen Unternehmen ihre Innovationstätigkeit verringern wollen. Auch laut einer Umfrage des BDI gibt eine wachsende Zahl von Unternehmen an, ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung zu verringern. Dabei spielt wenig überraschend die Corona-Pandemie als Grund eine Rolle, aber auch fehlende Fachkräfte und Finanzierungsmöglichkeiten. Von bestimmten Regionen liest man wiederum von Zuwachs bei den Innovationsausgaben wie hier am Beispiel Berlin. Über die aktuelle Situation sowie die Rolle der Hochschulen haben wir mit Peter Martini vom BVMW gesprochen (Bundesverband mittelständische Wirtschaft, Unternehmerverband Deutschlands e.V.). Für den Kreisverband Sachsen-Anhalt vertritt er die Interessen von rund 1000 kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Sachsen-Anhalt landes- und bundesweit.

Herr Martini, wie schätzen Sie die aktuellen Innovationsaktivitäten der Wirtschaft in Sachsen-Anhalt ein?

Dabei ist zunächst wichtig, was man unter "Innovation" versteht. Für mich ist das jede Veränderung, die ein Unternehmen vornimmt, um im Vorteil zu sein. Legt man diesen Innovationsbegriff zugrunde, gibt es große Unterschiede zwischen den Branchen und den verschieden großen Unternehmen. Wir haben Kleinstunternehmen, die sehr schnell auf Veränderungen reagieren - zum Teil innerhalb weniger Tage. Das ist vor allem in unserer IT-Branche zu erkennen. Und wir haben größere Industriebetriebe, die sich mit Innovationen aufgrund ihrer Struktur schwerer tun. Das betrifft insbesondere den Maschinen- und Anlagenbau.

Die größeren Unternehmen sind generell eher konservativ eingestellt?

Ja, das ist so. Und sie müssen zurzeit erstmal durch die Misere verursacht durch die Corona-Pandemie hindurch. Viele ihrer Kontakte sind zusammengebrochen, viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind zu Hause und können nicht zu den Kunden fahren. Das hemmt auch die Entstehung neuer Ideen. Hinzu kommen die Lieferschwierigkeiten – etwa von Chips und Sensoren – die natürlich auch unsere Wirtschaft trifft.

Von welchen Sorgen der Unternehmen erfahren Sie zurzeit noch?

Im Grunde sind es die alt bekannten: Das Thema Bürokratie spielt nach wie vor eine große Rolle. Anträge sind oft noch von Juristen für Juristen geschrieben, die kaum ein kleines Unternehmen hat. Für das umfangreiche Berichtswesen hat kaum jemand Zeit. Und natürlich das Thema Fachkräfte: Wolfsburg ist für die Absolventen der Magdeburger Hochschulen in greifbarer Nähe und auch das Lohngefälle.

"Mehrwerte müssen dort angerechnet und versteuert werden, wo sie entstehen!"

Peter Martini

spc

Sachsen-Anhalt nimmt als Innovationsstandort in Bundesvergleichen seit Jahren einen der hinteren Plätze ein.* Sind der Fachkräftemangel verursacht durch Lohngefälle ein Grund?

Das sehe ich so. Deshalb muss der Lohnangleich kommen. Mehrwerte müssen dort angerechnet und versteuert werden, wo sie entstehen! Hinzu kommt, dass viele unserer Betriebe nach wie vor verlängerte Werkbänke von Unternehmen sind, die ihren Sitz in anderen Bundesländern haben. Viele Betriebe, Abteilungen und Mitarbeiter sind durchaus innovativ, aber immer abhängig vom Mutterunternehmen.

Was ist notwendig, um Unternehmer und Unternehmerinnen und Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen noch stärker miteinander zu vernetzen und Kooperationen zu initiieren?

Ich denke, es gibt keine einheitliche Lösung für diese Frage. Am ehesten sollte man miteinander reden. Die gemeinsame Kommunikation muss aus meiner Sicht weiter optimiert werden, gerade in Bezug auf kleine Unternehmen. Es muss darum gehen, Begriffe wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz zu popularisieren. Was hat der Handwerker praktisch davon? Mir ist es schon passiert, dass ein Unternehmer auf seinen PC mit Worddokument gezeigt und gemeint hat: Digitalisierung? Mache ich doch schon. Dabei geht es darum, ganze Prozesse zu digitalisieren. Und was dahintersteckt, ist vielen nicht klar. Außerdem gibt es sehr viele Initiativen aus verschiedenen Bereichen wie Hochschulen und Wirtschaftsverbänden. Die Ansprache aus unterschiedlichen Richtungen macht es eher schwerer für den Einzelnen sich mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen. Es sollten eher alle an einem Tisch sitzen, wie wir es beim Mittelstandsforum versuchen.

In diesem Jahr ist das Thema KI. Lohnt es sich aus Ihrer Sicht für kleine und mittelständische Unternehmen, solche Lösungen anzusehen?

Wie sagt man so schön: "Es kömmt darauf an." Künstliche Intelligenz sollte Unternehmen und Mitarbeitern nützen. Dazu muss ich aber auch wissen, wie KI funktioniert und wie ich die Daten richtig werte. Hier ist noch viel Austausch zwischen Entwicklern und Anwendern gefragt.

Herr Martini, herzlichen Dank!

 

*Wie etwa von der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hier beschrieben wird: https://www.e-fi.de/fileadmin/Assets/Studien/2020/StuDIS_10_2020.pdf

spc

Informationen und Kontakt

Peter Martini ist seit 2005 beim BVMW und hat unter anderem das jährlich stattfindende Mittelstandsforum zum Austausch von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft initiiert.

 

Dipl. Phil. Peter Martini

Der Mittelstand. BVMW - Bundesverband mittelständische Wirtschaft, Unternehmerverband Deutschlands e.V.

E-Mail: peter.martini@bvmw.de, Telefon: 0391-4004962

Homepage des Bundesverbandes: www.bvmw.de

 

Text und Bilder (soweit nicht anders benannt): Claudia Aldinger

 

Das KAT-Netzwerk arbeitet mit verschiedenen Unternehmensverbänden wie dem BVMW zusammen, etwa um Wissenschaftler:innen und Unternehmer:innen gemeinsam auf Veranstaltungen über Kooperationsmöglichkeiten zu informieren.